Beitrag vom: 30.06.2020
Seit März gilt ein neuer Grenzwert von 1,5 mg/m³ für Dämpfe und Aerosole, die bei der Heißverarbeitung von Bitumenbahnen sowie bei Straßenbauarbeiten freigesetzt werden. Parallel dazu wurde beschlossen, Dämpfe und Aerosole aus heißem Oxidationsbitumen in die TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe) aufzunehmen. Entsprechend muss Oxidationsbitumen sukzessive durch andere Bitumensorten ersetzt werden.
Seit vielen Jahren werden in Deutschland und in anderen europäischen Staaten Arbeitsplatzmessungen bei Tätigkeiten mit heißem Bitumen durchgeführt. Darunter fallen Asphaltarbeiten im Straßenbau ebenso wie die Abdichtung von Flachdächern oder die Bauwerksabdichtung mit Bitumen- und Polymerbitumenbahnen. Eine tragende Rolle spielt hier der Gesprächskreis BITUMEN, der seit 1997 umfassende Untersuchungen über mögliche Gefährdungen durch Dämpfe und Aerosole aus Bitumen durchführt und koordiniert. In dem Gesprächskreis vertreten sind alle Institutionen und Verbände der Branche, also Hersteller von Bitumen und Bitumenprodukten ebenso wie Straßenbauer und Dachdecker, Gewerkschaften, Vertreter von Ministerien, Arbeitsschützer, Toxikologen und weitere Fachleute.
Im Herbst hat der für Grenzwertfestlegungen zuständige Ausschuss für Gefahrstoffe
(AGS) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zuletzt verschiedene Änderungen beschlossen. Seit März 2020 gilt danach ein neuer Grenzwert von 1,5 mg/m³ für Dämpfe und Aerosole aus heißem Destillationsbitumen oder heißem Air-Rectified Bitumen. Gleichzeitig wurde entschieden, Dämpfe und Aerosole aus heißem Oxidationsbitumen in die TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe) aufzunehmen.
Einstufung der verschiedenen Bitumenarten in der MAK-Liste
Die neuen Einstufungen des BMAS beruhen auf Vorschlägen der Senatskommission
zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Senatskommission erarbeitet Vorschläge für maximale Arbeitsplatz-Konzentrationen (MAK-Werte) unter anderem für flüchtige Chemikalien und Stäube. Bereits 2018 hatte das Gremium eine Neueinstufung in der MAK-Liste vorgenommen, in der die maximal zulässigen Konzentrationen bestimmter Stoffe in der Atemluft am Arbeitsplatz angegeben sind. Danach werden Dämpfe und Aerosole aus heißem Destillationsbitumen und heißem Air-Rectified Bitumen mittlerweile als „Krebsverdachtstoffe“ in der MAK-Kategorie 3B geführt, in der unter anderem auch Holzstaub von Weichhölzern oder Eisenoxid angegeben sind.
Dämpfe und Aerosole aus heißem Oxidationsbitumen werden demgegenüber weiterhin in der Kategorie 2 der MAK-Liste aufgeführt. Hier aufgelistet sind „Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen anzusehen sind, weil durch hinreichende Ergebnisse aus Langzeit-Tierversuchen davon auszugehen ist, dass sie einen Beitrag zum Krebsrisiko leisten können.“ Wichtig dabei: Durch die Einstufung in die Kategorie 2 der MAK-Liste existiert kein Grenzwert für Dämpfe und Aerosole aus heißem Oxidationsbitumen. Nach der Gefahrstoffverordnung sind Arbeitgeber entsprechend dazu verpflichtet, Dämpfe und Aerosole aus heißem Oxidationsbitumen nach dem Prinzip STOP (Substitution, Technische Schutzmaßnahmen, Organisatorische Schutzmaßnahmen, Persönliche Schutzmaßnahmen) zu behandeln, um so Gefährdungen der Gesundheit und der Sicherheit der Beschäftigten auszuschließen.
Auswirkungen für das Dachdeckerhandwerk und den Straßenbau
Die Änderungen in TRGS 900 und TRGS 905 haben Auswirkungen auf sämtliche Arbeitsplätze, bei denen Beschäftigte mit heißem Bitumen in Berührung kommen. Im Fokus stehen dabei vor allem Dachdecker sowie Beschäftigte im Straßenbau, die jeweils aber völlig unterschiedlich von den Änderungen betroffen sind: Bei Asphaltarbeiten wird vor allem die Einhaltung des neuen Grenzwertes diskutiert. Denn aufgrund der Art der Verarbeitung liegen die bisherigen Werte von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen in der Praxis bei 8 bis 12 mg/m³ und damit weit entfernt von dem jetzt geforderten Wert von 1,5 mg/m³. Bei der Verarbeitung von Bitumenbahnen im Dachdeckerhandwerk spielt der neue Grenzwert demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle.
Zwar werden heute für Flachdachabdichtungen fast ausschließlich Polymerbitumenbahnen eingesetzt, für deren Herstellung Destillationsbitumen verwendet wird. Arbeitsplatzmessungen belegen hier jedoch, dass bei der Verarbeitung von Polymerbitumenbahnen im Schweißverfahren der Grenzwert – bezogen auf den Schichtmittelwert – sicher eingehalten wird. Beim Kaltselbstkleben entstehen ohnehin keine Dämpfe und Aerosole. Für diese Verarbeitungsverfahren ergeben sich beim Einsatz von Polymerbitumenbahnen somit keine Änderungen durch den neuen Grenzwert. Die Bahnen können auch weiterhin verarbeitet werden wie bisher.
Konsequenzen für die Hersteller von Bitumenbahnen
Wichtige Umstellungen ergeben sich aber für die Verarbeitung im Gießverfahren. Denn hier kam bisher häufig Oxidationsbitumen für die Heißbitumen-Klebemassen zum Einsatz. Um dem angesprochenen Substitutionsgebot nachzukommen, sind die deutschen Bitumenbahnenhersteller mittlerweile dazu übergegangen, Oxidationsbitumen durch andere Bitumensorten zu ersetzen. So könnte künftig zum Beispiel Air-Rectified Bitumen anstelle von Oxidationsbitumen als Blockbitumen für das Gießverfahren zum Einsatz kommen. Bei Bitumenbahnen, deren Deckmassen aus Oxidationsbitumen bestehen, könnte andererseits vermehrt Polymerbitumen zum Einsatz kommen. Wichtig ist jeweils, dass sowohl die Verarbeitbarkeit gegeben ist und dass die technischen Eigenschaften der Bahnen nicht eingeschränkt werden.
Um ausreichend Zeit für die Umstellung zu haben und um entsprechende Messungen mit neuen Materialien zu ermöglichen, hat der Ausschuss für Gefahrstoffe den neu eingeführten Grenzwert für fünf Jahre bis Ende 2024 ausgesetzt.
Was müssen Dachdecker beachten?
Entsprechende Konsequenzen hat die Umstellung auch für die Dachdeckerbetriebe. Dabei muss aber wie oben beschrieben deutlich unterschieden werden: Für die Verarbeitung im Kaltselbstklebeverfahren ergeben sich keine Änderungen, da die Bahnen jeweils nur minimal erhitzt werden. Ebenso werden auch bei der mechanischen Befestigung von Bitumenbahnen keinerlei Dämpfe oder Aerosole freigesetzt. Etwas anders sieht es beim Schweißverfahren aus. Denn hier kommt es je nach Ausführung zu unterschiedlich großen Freisetzungen von Aerosolen und Dämpfen (das gleiche gilt für das Verkleben von Dämmstoffen mit Heißklebebitumen sowie für die Verklebung von Bitumenbahnen mit Heißbitumen im Bereich der Bauwerksabdichtung).
Beim Schweißen können diese Expositionen aber vernachlässigt werden. Die Bahn wird hier kontinuierlich mit dem Gasbrenner erhitzt und auf dem dabei entstehenden flüssigen Bitumen abgerollt. Neben diesen großflächigen Arbeiten müssen regelmäßig auch Klein- und Teilarbeiten an Ecken, aufgehenden Bauteilen, bei Entlüftungsschächten, Lichtkuppeln oder Gullys durchgeführt werden. Dabei wird die Bitumenbahn auf das notwendige Maß zugeschnitten, erhitzt, gegebenenfalls in der Fläche thermisch aktiviert und im Nahtbereich verschweißt. Bei all diesen Tätigkeiten entstehen zwar jeweils Dämpfe und Aerosole aus Bitumen, die von den Arbeitern eingeatmet werden können. Arbeitsplatzmessungen belegen jedoch, dass der zulässige Grenzwert dabei eingehalten wird.
Problematischer ist demgegenüber das Gießverfahren. Hier müssen gleich zwei Herausforderungen gelöst werden: Zum einen wurde beim Gießverfahren bislang häufig Oxidationsbitumen als Heißbitumenklebemasse verwendet, das jetzt substituiert werden muss. Zum anderen waren die Verarbeiter hier bislang einer höheren Exposition an Dämpfen und Aerosolen ausgesetzt als beim Schweißverfahren. Die Aussetzung des Grenzwertes bis 2024 bietet deshalb die große Chance, mit neuen Bitumenmassen den Grenzwert künftig einzuhalten.
Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang, dass die Einstufung von Dämpfen und Aerosolen aus heißem Oxidationsbitumen ausschließlich auf den Empfehlungen der MAK-Kommission basiert und damit eine rein nationale Angelegenheit ist, die nicht europäisch harmonisiert ist. Damit einher geht, dass Oxidationsbitumenbahnen mit einem entsprechenden Vermerk im Sicherheitsdatenblatt auch künftig noch in Deutschland verkauft werden dürfen. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz gilt aber, dass sie aufgrund des bestehenden Substitutionsgebots nicht mehr ohne weiteres verarbeitet werden dürfen. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, der sollte deshalb auf Polymerbitumenbahnen setzen oder Bitumenbahnen deutscher Hersteller wählen. Denn hier ist davon auszugehen, dass Oxidationsbitumen bereits im Laufe des Jahres 2020 gegen andere Bitumensorten ausgetauscht wird.
FAZIT
Die seit März geltenden neuen Vorgaben für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen wirken sich auch auf die Dachdeckerbranche und hier insbesondere auf die Verarbeitung von Bitumen im Gießverfahren aus. Um die geltenden Arbeitsschutzvorgaben einzuhalten, sind die deutschen Hersteller mittlerweile dazu übergegangen, das früher häufig verwendete Oxidationsbitumen durch andere Bitumensorten zu ersetzen. Bis Ende 2024 muss dann auch beim Gießverfahren der Grenzwert eingehalten werden. Polymerbitumenbahnen können demgegenüber auch weiterhin ohne Bedenken verwendet werden.
Vielen Dank für diesen Beitrag über die neuen Vorgaben bei Bitumen. Interessant, dass es nun Grenzwerte gibt und diese bis 2024 auch beim Gießverfahren beachtet werden müssen. Ich wollte mir eine Bitumenpumpe anschaffen und habe mitbekommen, dass es neue Regelungen in dem Gebiet gibt, daher wollte ich mich zunächst hier informieren.